Zur Testung der Linkshändigkeit
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Dr. Johanna Barbara Sattler
(Leiterin der Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder, München) |
ZUR TESTUNG DER LINKSHÄNDIGKEIT Vorbemerkung Zunächst muß eindeutig festgestellt werden, daß eine seriöse Händigkeitstestung nur von einem Fachmann durchgeführt werden kann. Das ist durch die Tatsache begründet, daß Händigkeit nicht nur eine Frage des bevorzugten Handgebrauchs für bestimmte Tätigkeiten ist, sondern mit der Betonung im menschlichen Gehirn zusammenhängt, beziehungsweise durch die motorische Dominanz der gegenüberliegenden Gehirnhälfte verursacht wird. Wir haben es hier also mit hoch komplizierten Prozessen aus dem neurophysiologischen Bereich zu tun, die durch bestimmte Störungen und negative Beeinflussungen unterm anderen auch in einer Irritation der Händigkeit münden können (oft treten in solchen Fällen auch andere Störungen in der Entwicklung des Kindes auf, zum Beispiel in der Fein- und Grobmotorik oder der Sprache, wobei die nach außen nicht eindeutige Händigkeitsentwicklung nicht Ursache, sondern Folge ist. Neben diesen neurophysiologischen Irritationen der Händigkeitsentwicklung kennen wir aber noch zwei andere massive Einflußfaktoren:
Das bedeutet, daß Linkshändigkeit sich bei einem Kind, aber auch bei einem Erwachsenen, sehr unterschiedlich nach außen manifestieren kann und vornehmlich durch eine oder mehrere der drei genannten Ursachen verzerrend beeinflußt worden sein kann. Hier zu einem sicheren Ergebnis über die tatsächliche, angeborene Händigkeit zu kommen, ist oft nicht leicht, denn es setzt sowohl medizinische Kenntnisse, als auch psychologisches und soziologisches Wissen voraus und dann gehört noch eine sehr geschulte Beobachtung und Kenntnis sinnvoller Testmethodik zur Händigkeitsuntersuchung dazu. Eine pure Selbsteinschätzung der eigenen Händigkeit durch das Kind, aber auch bei vielen Erwachsenen, ist besonders bei nicht eindeutiger Händigkeitsmanifestation sehr gefährlich und es soll ausdrücklich davor gewarnt werden. Professionelle Händigkeitstestung Folgende Berufsgruppen sind zur Händigkeitstestung besonders prädestiniert, wobei der einzelne Vertreter aber doch eine etwas tiefergehende Weiterbildung auf diesem Gebiet vorweisen können sollten, denn in den meisten Berufsausbildungen wird bis heute leider nicht speziell auf Linkshändertestung eingegangen, jedoch bestätigen Ausnahmen natürlich wieder die Regel: Ergo- und Mototherapeuten, Heilpädagogen, Schulpsychologen und manche Sozialpädagogen. Überlegungen zur Selbstbeobachtung Um aber auch dem Nichtfachmann und den Betroffenen gewisse Anhaltspunkte zu geben, sollen doch einige, eher als Vortest zu betrachtende Hinweise aufgeführt werden. Selbstverständlich ist bei manchen Menschen die Linkshändigkeit so eindeutig, daß keinerlei Zweifel an ihr bestehen und die oben aufgeführten Überlegungen nicht relevant sind. Das sind Menschen, die oft schon seit dem Alter von ein bis zwei Jahren wichtige Tätigkeiten bevorzugt mit der linken Hand ausführen. Sofern es nicht zu einer Beeinflussung der Linkshändigkeit von außen kommt, wechseln diese Kinder auch nicht im Handgebrauch, sondern bevorzugen durchgehend die linke Hand. Oft trifft das auch auf die Füße zu, doch ist hier manchmal nicht eindeutig zu entscheiden, welches bei bestimmten Bewegungsabläufen der wichtigere Fuß ist, besonders wenn beide Füße dabei gebraucht werden - wie zum Beispiel beim Fußballspielen, wo auch das Standbein und nicht nur der kickende Fuß wichtig ist. Dann gibt es aber die Gruppe der Linkshänder, die durch sanfte oder früher massive bis brutale Umschulungsmaßnahmen (wie Überredung, Schläge, Festbinden oder Eingipsen der linken Hand) zum Gebrauch der rechten Hand umgeschult wurden. Das betrifft besonders Kulturverhalten und -techniken, wie essen mit Messer, Gabel und Löffel, Hand geben bei der Begrüßung ("gib doch das schöne Händchen"), malen, schreiben und schneiden, Kartoffeln schälen und Handarbeiten. Diese Gruppe der linkshändigen Kinder bzw. Erwachsenen verrichtet viele der genannten Tätigkeiten mit der rechten Hand. Andere, von den Erziehungsmaßnahmen nicht betroffene Tä-tigkeiten werden jedoch zu einem großen Teil weiter links vollzogen. Dazu gehört oft werfen, Zähne putzen, greifen, Blumen gießen, hämmern, würfeln, kreiseln. Hier werden bewußt Tätig-keiten aufgezählt, die nur mit einer Hand vollzogen werden und deren Beobachtungsmög-lichkeit dann leichter und aussagekräftiger ist. Aber schon das Werfen und Sportarten, wie Tennis, Fechten, Hockey, Golf sind wieder stark von der Art, wie der Lehrer es dem linkshändigen Kind vorgemacht und gezeigt hat, abhängig und sie sind daher kein sicheres Indiz, daß es sich um "keinen echten Linkshänder" handelt, weil das Kind zum Beispiel rechts wirft oder Golf spielt, wenn es ansonsten viel links macht. Linkshändige Kinder, die oft auf Grund von leichten zerebralen Störungen (die im Normalfall nicht die Intelligenz betreffen!) längere Zeit brauchen, um deutlich ihre Linkshändigkeit zu manifestieren und die zeitweise im bevorzugten Handgebrauch hin- und herwechseln, sind besonders gefährdet, sich eine falsche Händigkeit einzuüben. Sie haben manchmal leichte Störungen in der Feinmotorik und daher ermüdet die dominante Hand schneller und sie wechseln dann auf die andere Hand über. Manche linkshändige Kinder gewöhnen sich dadurch einen andauernden Wechsel des Handgebrauchs so an, daß die nicht dominante rechte Hand schließlich bestimmte Tätigkeiten ganz übernimmt und automatisiert. Das kann in umgekehrter Richtung auch bei einem rechts-händigen Kind geschehen. Allerdings zielen auch heute noch die zwar meist eher vorsichtig versuchten Umschulungen bei kleinen Kindern eher in eine Beeinflußung zur Rechtshändigkeit und somit sind linkshändige Kinder mit zunächst wechselndem Handgebrauch stärker gefährdet. Man sollte diese Kinder in Ruhe lassen und möglichst wenig Fragen zur Händigkeit vor dem Kind dis-kutieren, um es nicht zu beeinflussen. Ansonsten kann es geschehen, daß sich manche linkshändigen Kinder bewußt selbst umschulen, weil sie meinen, Rechtshändigkeit sei besser für sie oder weil sie zum Beispiel einem Elternteil die größere Glaubwürdigkeit einräumen und sich nach dessen Meinung ausrichten. Hier ist besonders das Modell- und Nachahmungsverhalten der intelligenten und wachen Kinder ein gefährlicher Beeinflussungsfaktor der angeborenen Händigkeit. Hat sich bei einem solchen Kind etwa im Alter von vier bis fünf Jahren noch keine eindeutige Händigkeit herausgestellt, sollte unbedingt fachlicher Rat und komponente Hilfe eingeholt werden. Denn letztendlich zu Schulbeginn muß die Schreibhand spätestens festgelegt sein. Andere Tätigkeiten können eventuell auf der nicht dominanten Hand bleiben, um eingeübte Handlungsabläufe des Kindes nicht zu sehr durcheinanderzubringen und das Kind durch zu viele Umstellungen zu überlasten und zu stark zu frustrieren. Erwachsene Linkshänder haben diesen wechselnden Handgebrauch und die Anpasung an die rechtshändige Umwelt in der frühen Kindheit oft vergessen und verdrängt, so daß mancher eine sehr große Affinität zu seiner linken Hand verspürt, ohne sich aber konkret an eine Umschlung der Händigkeit zu erinnern. Er ist eigentlich ein Linkshänder, kann diese Wahrnehmung aber nicht mehr an Geschehnissen und Erinnerungen festmachen. Manchmal können hier Kinderfotos weiterhelfen, denn auch die Eltern haben die anfängliche Neigung zur Linkshändigkeit ihres Kindes später oft vergessen oder überhaupt nicht wirklich darauf geachtet und wahrgenommen. Es gibt aber auch viele linkshändige Kinder, die wach und intelligent sind und ihre Umgebung sehr beobachten und genau nachahmen. Wenn so ein linkshändiges Kind etwas zum Wechseln des Handgebrauchs neigt und/oder die Umgebung gute Argumente für den Gebrauch der rechten Hand anbringt, schulen sich solche linkshändigen Kinder oft selbst auf die rechte Hand um, was dann in die entsprechende Umschlungsfolgen mündet. (Siehe dazu: Sattler, Johanna Barbara, Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn.) Einige Tätigkeiten, die zur Händigkeitsbestimmung geeignet beziehungsweise ungeeignet sind
Schlußüberlegungen Es war nicht Absicht dieses Artikels Eltern oder Betroffene zu verwirren, sondern vor übereilten Schlüssen zu warnen, die massive negative Folgen für den Betroffenen haben können. Gerade bei der Testung der Linkshändigkeit wurde und wird leider auch heute noch manchmal sehr oberflächlich und leichtfertig vorgegangen und zwar meist zum Schaden des Linkshänders. Zuletzt soll aber noch betont werden, daß man sich nicht verrückt machen, sondern die Sache eher mit Gelassenheit angehen soll. Eine Tatsache darf dabei nie vergessen werden: Wir haben zwei Hände, die wir benutzen und meist stellt sich die Führungshand eindeutig heraus, aber manchmal benutzt man auch die andere, nicht dominante Hand für vermeintliche oder tatsächliche Führungsaufgaben, ohne daß es sofort zu Irritationen kommt. Kritisch wird es auf alle Fälle beim Schreiben mit der nicht dominanten Hand und bei anderen sehr häufig ausgeführten, eine Hand besonders belastende Tätigkeiten, wie zum Beispiel beim Musizieren und Sport und ganz besonders später bei Profis. Zu nennen ist zum Beispiel Schlagzeug und Gitarre oder auch Fechten, Tennis und Bewegungsabläufe wie beim Ballett. Hier ist es absolut wichtig, die tatsächlich dominante Hand herauszufinden und gerade sie für diese Tätigkeiten zu benutzen. |
Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "LeftHandCorner", Nr. 2/1998, S. 6-12 Hier steht auf ausdrücklichen Wunsch von Frau Dr. Johanna Barbara Sattler |